Digitalisierung erleichtert uns angesichts des Fachkräftemangels das Leben
Der demografische Wandel und der damit einhergehende Personalmangel sind die größten aktuellen Herausforderungen der HR-Abteilungen in Unternehmen. In diesem Zusammenhang macht die Digitalisierung unser aller Leben einfacher, statt komplexer. Wie wir damit in Zukunft leben und arbeiten werden, darum ging es bei der Tagung HR Connect(s) der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria am 15. und 16. September an der Johannes Kepler Universität Linz.
„Derzeit beschäftigen uns nicht nur die Energiekosten und die allgemeine Teuerung, mittel- bis langfristig ist der demografische Wandel das wichtigste Thema. Das Kernthema der Zukunft sind die Fachkräfte, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu erhalten“, sagte Werner Pamminger, Geschäftsführer der Standortagentur Business Upper Austria, zur Begrüßung. „Personalisten werden eine Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, den Wandel zu begleiten, die Mitarbeiter:innen zu sensibilisieren, ihnen die Ängste zu nehmen und dabei zu helfen, die benötigten Kompetenzen zu erwerben“, fasste Manfred Luger, Leiter der Abteilung Human Capital Management (HCM) in der Standortagentur zusammen. Sein Team hat die HR Connect(s) organisiert. 220 Personalverantwortliche waren der Einladung gefolgt.
Kernthema demografischer Wandel
Zukunftsforscher David Borst entwarf Szenarien, wie unser Leben in den kommenden Jahrzehnten aussehen könnte. „Wir brauchen keine Angst haben, dass uns die KI die Arbeit wegnimmt, weil die Menschen im Erwerbsalter weniger werden – wir sind vielmehr auf die KI angewiesen“, sagte der Zukunftsforscher. Borst ist überzeugt, dass wir an Produktivität gewinnen, wenn wir mit künstlichen Assistenten im Team zusammenarbeiten: „Digitalisierung reduziert Komplexität.“ Schon jetzt werden Chatbots genutzt, um Standardfragen zu beantworten. Nicht nur Personalmanager haben so mehr Zeit, sich mit dem Menschen und seinen individuellen Anliegen zu beschäftigen.
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Hilfe von digitalen Assistenten
Die Zukunftsforschung prognostiziert, dass 2030 jeder Mensch zwischen 30 und 50 digitale künstliche Assistenten nutzen wird. Das reicht vom Finanzmanager bis zum Gesundheitsmanager. Schon jetzt existiert eine Software, die Brustkrebs anhand von Röntgenbildern um zwei Jahre früher und 50 Prozent genauer erkennt als ein Arzt. „Wem werden Sie also Ihre Röntgenbilder zeigen und welcher Diagnose werden Sie eher vertrauen? Wohl der KI, weil sie die besseren Antworten liefert.“ Auch hier sieht Borst den positiven Effekt: Der Arzt wird wieder mehr Zeit haben, sich mit dem Patient:innen zu befassen. Die digitalen Assistenten werden laut Borst auch dazu führen, dass wir mehr Zeit für kreative Tätigkeiten sowie mehr Freizeit haben werden und uns mehr sinnstiftender Beschäftigung widmen können. HR-Abteilungen müssen den Mitarbeiter:innen dabei helfen, diesen Wandel zu meistern, damit sie nicht in eine Identitätskrise geraten.
Führen in Teilzeit als Lösung
In sechs parallelen Sessions berichteten mehrere Unternehmen über ihre Erfahrungen mit neuen Formen der Arbeit. Sigrid Uray-Esterer von Jobtwins zeigte, wie mit Jobsharing Teilzeit auch in Führungspositionen gelingt. Jobtwins fungiert dabei als Plattform, in der sich Arbeitsuchende finden und sich gemeinsam für eine Position bewerben. „Es steht nicht die Person, sondern die Funktion im Mittelpunkt. Das Modell eignet sich nicht nur für Frauen, die wegen der Kinder Teilzeit arbeiten wollen, sondern für alle Menschen, die nicht Vollzeit arbeiten wollen“, betonte Uray-Esterer.
„KI nimmt niemandem die Arbeit weg“
Bernhard Niedermayer vom Verein AI Upper Austria erarbeitete mit den Teilnehmer:innen seiner Session, wo wir im Alltag bereits überall KI einsetzen, ohne dass es uns bewusst ist. Es ging vor allem um die Emotionen beim Kollaborieren mit Künstlicher Intelligenz. Vor einem Spamfilter haben wir beispielsweise keine Angst mehr, aber wir haben Angst davor, dass uns die KI die Arbeit wegnimmt.
Co-Working als Chance
Lucia Schramm-Kaineder zeigte, wie Co-Working den Wirtschaftsstandort stärken kann. Vom Arbeiten in Co-Working-Spaces profitieren alle. Die Mitarbeiter:innen, weil sie einen Community-Anschluss finden. Die Arbeitgeber profitieren von Erfahrungsaustausch, Impulsen und neuen Kooperationspartnern, die durch die Kontakte der Mitarbeiter:innen gefunden werden. Auch die Gemeinden profitieren, weil die Ortszentren wiederbelebt werden. Dank des neuen CoWorkLand Regionalbüros in Oberösterreich können Unternehmen jetzt ganz einfach sogenannte Satellitenbüros nutzen.
Inklusion gewinnt an Bedeutung
Durch den demografischen Wandel wird die Eingliederung beeinträchtigter Menschen in die Arbeitswelt immer wichtiger. Immerhin leben 15 Prozent der Menschen mit einer Behinderung. Sebastian Brettl von myAbility zeigte, wie diese Inklusion gelingt: durch Sensibilisierung der Führungskräfte, Zusammenarbeiten mit Organisationen wie myAbility, die Unternehmen beim Integrieren behinderter Menschen unterstützen, eine entsprechende Unternehmenskultur und durch digitale Assistenten, die beeinträchtigten Menschen das Arbeiten ermöglichen.
IT-Branche mit kreativen Ideen
Besonders eklatant ist der Fachkräftemangel in der IT. Das Recruiting geht daher weit über die Landes- und europäischen Grenzen hinaus. Frederic Hadjari, Manager des IT-Clusters in der Standortagentur, berichtete, wie mit gut ausgebildeten IT-Fachkräften im Mittleren Osten und in Afrika effizient und remote zusammengearbeitet werden kann. Hier gilt es vor allem, die kulturellen Unterschiede zu verstehen und Vertrauen zu schaffen. Carina Lengauer von bluesorce mobile solutions erzählte vom Pilotprojekt der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich in ihrem Unternehmen. „Als IT-Unternehmen leiden wir besonders unter dem Fachkräftemangel. In unserer Branche werden Mitarbeiter:innen mit Benefits überhäuft. Wir haben daher nach einem Alleinstellungsmerkmal gesucht“, erläuterte die Personalchefin die Motivation dahinter. Jeder einzelne Mitarbeiter hat nun etwa ein Monat mehr Freizeit pro Jahr. „Jetzt haben wir um 25 Prozent mehr qualitativ hochwertige Bewerbungen als früher, daher werden sich die Mehrkosten amortisieren.“
Remote Work braucht Remote Leadership
Lukas M. Fastenroth vom Dortmunder Kienbaum Institut @ ISM für Leadership & Transformation appellierte in seinem Vortrag an die Unternehmen, Remote Work aktiv zu gestalten. „Nach zwei Jahren Pandemie haben wir gelernt, dass Remote Work funktioniert. Jetzt braucht es Regelungen. Und Remote Leadership muss neu gedacht werden. Denn Führungsstil und Beziehungsmanagement lassen sich nicht 1:1 auf Remote Work übertragen. Die Technologie macht Arbeit nun menschlicher“, sagte der Berater.
Aktives Recruiting ab der Geburt
Andreas Fill, CEO des gleichnamigen Maschinenbauers, spricht mit seinem Motto „Fill your Life – das Lebensarbeitskonzept“ vom Baby bis zum Senioren alle Generationen an – vom Geschenk zum Schulanfang über den eigenhändig eingenetzten Christbaum bis zum Seniorenprogramm, das ehemalige Beschäftigte ins Unternehmensgeschehen einbindet. „Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe sind auch 2030 noch genauso wichtig wie heute, wenn nicht sogar wichtiger“, betonte Andreas Fill. Fill investiert viel in die potenziellen Mitarbeiter von morgen: Schulabschlussfest, Krabbelstube, Kinderbetreuung in den Ferien oder ein Kinderbuch rund um das Maskottchen „Filli Future“. Mitarbeiter findet der Maschinenbauer bei Berufsorientierungstagen oder Technikertagen mit der HTL – Fill hat kaum Probleme, Lehrstellen zu besetzen.
Mitarbeiterbeteiligung für alle Lebensphasen
Bei TGW wurde das Bonussystem 2018 abgeschafft, stattdessen wurde das Grundgehalt erhöht. Statt des Bonussystems gibt es jetzt die Duale Mitarbeiterbeteiligung. Die Beschäftigten können sich zwischen Geld oder einer zusätzlichen Urlaubswoche entscheiden. Neu ist das Modul „Gesundheit“ mit einem Personal Coach für mentale Gesundheit, Ernährung und Bewegung. Demnächst wird ein viertes Modul zur Wahl stehen: Die „Learning Journey“, bei der Mitarbeiter:innen auch in andere Abteilungen und Standorte hineinschnuppern können. „Der Sinn dahinter: Wir wollten auf die unterschiedlichen Lebensphasen besser eingehen“, erklärte Marcel Braumann. Neu bei TGW ist das Programm MINDtastic®. Hier geht es nicht nur um die fachliche Aus- und Weiterbildung, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung und Wissensmanagement.
Emotional intelligent führen
Der zweite Tag der HR Connect(s) stand ganz im Zeichen der Organisationsentwicklung. Andreas Berger, HR-Leiter der Rosenbauer Group und HCM-Beiratssprecher, betonte bei seiner Begrüßung: „Die Zukunft ist Wandel. OE-Verantwortliche müssen diesen Change begleiten, gestalten und optimieren.“ Psychologin, Neurowissenschafterin und Beraterin Svea von Hehn ging in ihrer Opening Keynote auf die Bedeutung von emotional intelligenter Führung für die Organisation der Zukunft ein. „Eine gute Führungskraft besitzt Eigenschaften aus dem Bereich der emotionalen Intelligenz. Eine Führungskraft bleibt mit dem Gefühl in Erinnerung, das sie bei ihren Mitarbeiter:innen auslöst“, sagte von Hehn.
Empathisch sein und zuhören können
Emotional intelligente Führung zeichnet sich durch Klarheit und Zugewandtheit aus. Da Stress ein Empathiekiller ist, muss der Stresslevel reduziert werden. Die Neurologin erklärte, dass sich die Menschen wohlfühlen müssen, dass sie psychologische Sicherheit im Team brauchen. Wenn das nicht der Fall ist, bedeutet das für unser Gehirn Alarm und die Amygdala, der Mandelkern, feuert permanent, ohne dass wir es merken. Das entzieht uns aber kognitive Energie. „Ein wichtiges Kriterium für High Performance Teams ist psychologische Sicherheit. Wir müssen keine Freunde sein, aber das Teamklima muss passen“, betonte die Beraterin.
Pausen und Meditation sind leistungssteigernd
Die Amygdala wird auch dann aktiviert, wenn wir dauernd unterbrochen werden. Das Gehirn braucht auch Pausen. Führungskräfte müssen daher Vorbild sein und selbst Pausen machen. Offenheit und Neugierde seien laut von Hehn ebenfalls wichtig für Emotionale Intelligenz. Regelmäßiges Meditieren könne dies verstärken. „Es gibt aber nicht die eine emotional intelligente Organisation oder Führungskraft. Es gibt unterschiedliche Reifegrade oder Momente. Emotionale Intelligenz muss man trainieren und ist ein ständiges Dazulernen“, betonte die Psychologin.
Kompetenzprofile ändern sich
Simon Löwy und Markus Skergeht stellten Skilltree, ihre Webapplikation für das Kompetenzmanagement in Organisationen, vor. Georg Jurceka und Fabiola Krieg von Deloitte entwarfen Szenarien über die Zukunft der Arbeit und beleuchteten das Szenario „Work as Fashion“ genauer. Dabei erklärten sie, wie Arbeitgeber die Moden des Arbeitsmarktes gestalten können und werden.
Human Relations statt Human Resources
Wie sich Tiger Coatings in eine „befreite Organisation“ verwandelt hat, berichteten deren HR-Leiter Günter Wagner sowie die Berater:innen Eva Maria Maurerbaur und Franz Auinger von InoVato. Das Unternehmen wurde von überkommenen Strukturen und Haltungen befreit. Dies gelang mit Prinzipien wie Augenhöhe, Meetings im Sitzkreis, mehr Verantwortung beim Individuum und Abkehr von Einzelentscheidungen hin zu Teamentscheidungen. „Unser Ansatz ist auch, Human Resources in Human Relations umzubenennen“, betonten die Referent:innen. Berater Konrad Breit und HR-Direktor Ralf Waibel präsentierten schließlich den Wandel bei BRP-Rotax. „Die Transformation vom traditionellen zum High-Impact HR Operating Model ist der essenzielle Enabler für Veränderungsprozesse in einem internationalen Industrieunternehmen“, sagten die beiden Vortragenden.
Die fluide Organisation der Zukunft
Maria Gratzl von der LIWEST Kabelmedien GmbH und Patrick Rammerstorfer von Pro Active wagten einen Blick in die Zukunft der Arbeit von fluiden Organisationen. Die LIWEST hat mit Foresight- und Design-Thinking-Elementen ihre neue HR-Strategie erarbeitet. Sie verändert die Organisation, Prozesse und die Zusammenarbeit. In Zukunft wird es sowohl Stammpersonal als auch fluides Personal geben. Das verändert die Prozesse stark. „Auf Organisationsebene sind wir dadurch viel experimenteller geworden, auch wenn es herausfordernd ist, weil wir als kritischer Infrastrukturbetreiber 100 Prozent Verfügbarkeit gewährleisten müssen“, schilderte Gratzl.
Die Hierarchie ist tot
Ein besonderes Experiment wagte die KEBA Group: Sie hat die klassische Hierarchie gänzlich abgeschafft. „Nach dem Vulkanausbruch in Island, dem Tsunami in Japan, COVID-19, dem Halbleiterengpass und vielen anderen Schwierigkeiten, Überraschungen und Krisen haben wir gesehen: Wir müssen Dinge neu denken. Hierarchie ist dabei nicht immer hilfreich. Also haben wir beschlossen, in Neuland aufzubrechen”, erzählte Roland Peterseil von KEBA. „Es geht darum, dass wir lernen, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren, egal auf welcher Hierarchiestufe wir uns bewegen.“ Die KEBA-Mitarbeiter:innen haben nun dynamische Rollen, die sich anpassen, wann immer es notwendig ist. Sie können sich in vielen verschiedenen Bereichen einbringen. Es gibt jetzt eine Purpose-Hierarchie statt einer Personen-Hierarchie. Klassische Führungskräfte wurden abgeschafft, stattdessen führen verteilte Autoritäten in Form von Performance Lead und Disciplinary Lead. Starre Regeln wurden durch Prinzipien ersetzt, damit man besser auf Unvorhergesehenes reagieren kann.
Save the Date
Termin und Thema für die HR Connect(s) 2023 stehen bereits fest. Am 14. und 15. September 2023 erfüllen die Personalverantwortlichen die „Mission NACHHALTIGKEIT“. Die HR-Tagung findet auch wieder im Uni-Center der Johannes Kepler Universität Linz statt.
Pressemeldung von Buisness Upper Austria