Der Mindestlohn in Deutschland
Lohndumping ist seit vielen Jahren in etlichen Branchen der Wirtschaft ein kontrovers diskutiertes Thema. Auch die Koalitionsverhandlungen brachten diesbezüglich keine wirkliche Einigung, es konnte jedoch ein Kompromiss erzielt werden. Dieser sieht wie folgt aus:
Zum 1. Januar 2015 wurde bundesweit und branchenübergreifend erstmals ein gestzlicher Mindestlohn eingeführt – dieser betrug anfangs 8,50 Euro brutto pro Stunde. Allerdings waren davon jene Mindestlöhne ausgenommen, die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz festgelegt wurden. Außerdem waren für eine Übergangszeit abweichende Regelungen möglich, die sich aus bestehenden Tarifverträgen ergaben. Diese Einschränkungen galten grundsätzlich bis zum Ende des Jahres 2016.
Das bedeutet: Seit 1. Januar 2017 gilt dann der gesetzlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik Deutschland ohne weitere Einschränkungen. Gleichzeitig mit der Planung des Mindestlohnes wurde auch ein entsprechender Gesetzesentwurf durch das Bundesarbeitsministerium auf den Weg gebracht.
Der ab 1. Januar 2017 geltende Mindestlohn wird ständig dem aktuellen Marktniveau angepasst. Dafür zuständig ist die sogenannte Mindestlohn-Kommission, der je drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertreter angehören. Zusätzlich kann jeweils ein Wissenschaftler hinzugeholt werden, der eine beratende Funktion übernimmt. Pflicht ist, dass die Mindestlohn-Kommission einen Vorsitzenden bestimmt, entweder per Mehrheitsentscheidung oder durch das Los.
Welche genauen Eigenschaften der Mindestlohn aufweist, welche Ausnahmen es gibt und wo seine Vor- und Nachteile liegen, erfahren Sie im Folgenden.
Warum wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt?
Arbeitnehmern muss es ermöglicht werden, durch ihre Arbeitsstelle die eigene Existenz nachhaltig zu sichern. Leider gelingt in vielen Branchen heutzutage nicht, und die Aussichten für die Zukunft sind aufgrund immer weiter sinkender Tarifbindungen auch nicht gerade rosig.
Aus diesem Grund sollte eine entsprechende gesetzliche Regelung dafür sorgen, dass deutschlandweit ein verbindlicher Mindestlohn für alle Arbeitnehmer gilt, so dass damit ein Mindestschutz zur sozialen Sicherung erreicht werden kann.
Studien zufolge lagen deutschlandweit vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns rund 13 Prozent aller Erwerbstätigen unterhalb der geplanten Grenze, in manchen Regionen betrug der Anteil sogar bis zu 25 Prozent. Da entsprechende Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern in der Vergangenheit nur in den seltensten Fällen zu einem Erfolg führten, sollte die neue gesetzliche Regelung die Unternehmen fortan dazu zwingen, den Mindestlohn an ihre Arbeitnehmer auszuzahlen.
Das Prinzip der Tarifautonomie gehört damit weitgehend der Vergangenheit an. Der Staat hat seitdem ein gewaltiges Wörtchen mitzureden, wenn es um die Höhe der Löhne in Deutschland geht.
Kritiker sahen und sehen allerdings auch Nachteile in der Einführung des Mindestlohns. Berücksichtigt man ihrer Meinung nach die Auswirkungen des Mindestlohns, so ergebe sich keine Erhöhung des Gesamteinkommens der Bevölkerung in Deutschland, da etliche Jobs durch das Mindesteinkommen weggefallen sind. Durch den ebenfalls durch das Mindesteinkommen hervorgerufenen allgemeinen Preisanstieg müsse langfristig sogar mit einem Rückgang der Einkommen gerechnet werden, insbesondere bei einkommensschwachen Menschen, aber auch im Bereich der Mittelschicht. Letztere müsse mit einem geringeren Einkommen in Höhe von etwa 250.- Euro jährlich rechnen.
Ausnahmen vom Mindestlohn
Keine Regel ohne Ausnahme – so ein verbreitetes Motto in Deutschland. Nichts anderes gilt auch für die gesetzliche Regelung zum Mindestlohn. Auch hier gibt es einige Ausnahmen, die wir Ihnen im Folgenden vorstellen möchten:
Personen unter 18 Jahren
Die neue Regelung für den Mindestlohn gilt nur für Arbeitnehmer, die volljährig sind. Somit fallen leider viele Auszubildende durch dieses Raster, da sie noch keine 18 Jahre alt sind. Auch bei Jugendlichen, die in Ferienjobs arbeiten, ergibt sich für den Arbeitgeber eine Lücke in den gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Mindestlohns, die sicher viele ausnutzen werden.
Praktikanten
Wer freiwillig ein Praktikum mit einer Länge von bis zu drei Monaten absolviert, der kann dafür vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen werden. Bislang war in den Gesetzesentwürfen lediglich eine maximale Länge von sechs Wochen vorgesehen.
Zeitungszusteller
Erst seit 2017 gilt auch im Bereich der Zeitungszusteller der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland. Zuvor durften Presseverlage von dieser Regelung nach unten abweichen, und zwar im Jahr 2015 um 25 % und im Jahr 2016 um 17 %. Diese Regelung sollte sicherstellen, dass Zeitungen auch weiterhin flächendeckend in Deutschland ausgeliefert werden konnten.
Saisonkräfte
Bei Arbeitnehmern, die nur in einer Saison tätig sind, dürfen Kostenfaktoren wie Kost und Logis mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn verrechnet werden. Im gleichen Zuge wurde auch die maximal mögliche Beschäftigungsdauer für Saisonarbeiter von bislang 50 Tagen auf nunmehr 70 Tage angehoben.
Langzeitarbeitslose
Erhalten Langzeitarbeitslose endlich wieder eine Beschäftigung, darf der Arbeitgeber für die Dauer der ersten sechs Monate den gesetzlich festgelegten Mindestlohn unterschreiten. Dadurch sollen spezielle Anreize für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen geschaffen werden.
Definition des Mindestlohns
Grundsätzlich gilt in Deutschland immer noch die sogenannte Tarifautonomie. Das bedeutet, die Höhe der Löhne und Gehälter wird generell zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern festgelegt, dritte Institutionen hatten damit bislang nichts zu tun.
Der einfachste Weg, einen Mindestlohn festzulegen, ist der Tarifvertrag. Dieser enthält eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung, so dass der im Vertrag festgelegte Tarif nicht nur für das Arbeitsverhältnis zwischen dem jeweiligen Unternehmen und seinen Arbeitnehmern gilt, sondern gleich für die gesamte Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Dabei legt der Tarifvertrag immer nur die Lohnuntergrenze verbindlich fest, nach oben hin sind die Arbeitgeber bei der Gestaltung der Löhne und Gehälter also völlig frei.
In Westdeutschland arbeiten derzeit ca. 57 Prozent aller Beschäftigten in Betrieben, die sich per Tarifvertrag an diese Regelung gebunden haben. In Ostdeutschland sind es allerdings nur 41 Prozent aller Beschäftigten.
Wichtig zu wissen ist, dass das Vorhandensein eines Tarifvertrags in der jeweiligen Branche kein Garant für einen ausreichenden Mindestlohn darstellt. So gibt es in Deutschland eine große Zahl von Arbeitnehmern in Tarifverträgen, bei denen die gezahlten Stundenlöhne deutlich unter sechs Euro liegen. Experten schätzen weiterhin, dass in Deutschland fast fünf Millionen Menschen in Arbeitsverhältnissen stehen, in denen der Lohn weniger als 7,50 Euro pro Stunde beträgt. Dies ist durch die Einführung des gesetzlich vorgeschriebenen und flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland geändert worden.
Der Mindestlohn gilt also branchenübergreifend für ganz Deutschland und wird direkt vom Gesetzgeber festgelegt, so dass er die gewünschte Wirkung erzielt. Brancheninterne Lösungen, die lediglich zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft ausgehandelt werden, erzielen hier nicht den gewünschten Effekt. Insofern kann der Staat die Tarifautonomie – welche laut Gesetz weiterhin gilt – entsprechend einschränken.
Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, betrug die Höhe des ab 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohns zunächst 8,50 Euro pro Stunde. Inzwischen ist er mehrmals angepasst worden und liegt bei 9,35 Euro brutto.
Die Lohnhöhe war (und ist) heftig umstritten. Bereits seit Jahren diskutieren die politischen Lager und verschiedenen Parteien darüber, wie hoch der Mindestlohn ausfallen soll. Generell gilt: Der Mindestlohn sollte so hoch sein, dass sich jeder Arbeitnehmer damit seine Existenz sichern kann. Doch diese Aussage ist sehr schwammig. Die Frage ist: Ab welcher Lohnhöhe kann ein Arbeitnehmer seine Existenz wirklich dauerhaft sichern? Und kann dieser Wert stellvertretend für alle Menschen und alle Branchen herangezogen werden?
Diesbezüglich waren und sind sich die Parteien uneinig. Währung die CDU die Einführung des Mindestlohns lediglich in Branchen befürwortete, in denen bislang keine Tarifverträge existieren, forderten Gegner wie Die Linke einen Mindestlohn von 10,50 Euro pro Stunde. Gewerkschaften, Grüne und SPD dagegen hatten von Anfang an den Mindestlohn i. H. v. 8,50 Euro pro Stunde gefordert.
Weiterhin ergibt sich die Frage, welche Bestandteile zum Mindestlohn gerechnet werden sollen. Grundsätzlich versteht sich der Mindestlohn von derzeit 9,35 Euro pro Stunde brutto, er soll aber auch für Stück- und Akkordlöhne entsprechend gelten. Hierbei ist laut Bundesrat allerdings streng darauf zu achten, dass bei Stücklöhnen und Umsatzbeteiligungen deren Umrechnung auf einen entsprechenden Stundenlohn die Gefahr beherbergt, unrealistische Annahmen zu Lasten der Beschäftigten festzulegen. Soll heißen: Die Unternehmen fahren die erforderliche Stückzahl bzw. den Umsatz hoch, um die Mehrausgaben beim Mindestlohn wieder auszugleichen. Das geht zu Lasten der Arbeitnehmer und darf nicht sein. Daher müssen geeignete Überwachungsmaßnahmen gefunden werden, die diese Praktiken sofort aufdecken.
Vorteile des gesetzlichen Mindestlohns
Seit vielen Jahren gibt es eine große Zahl glühender Verfechter des Mindestlohns. Die Vorteile, welche durch diese Anhänger angeführt werden, sind nicht von der Hand zu weisen. Doch zunächst etwas Statistik:
21 von 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatten vor Einführung des Mindestlohns in Deutschland bereits gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. Damit war Deutschland eines der wenigen Länder, die sich bis dato noch nicht dazu durchringen konnten, den Mindestlohn einzuführen.
Die Argumente dafür sind durchaus schlüssig:
– Durch einen gesetzlichen Mindestlohn wird der Steuerzahler effektiv entlastet. Wenn jeder Arbeitnehmer genug verdient, um seine Existenz zu sichern und dauerhaft finanzieren zu können, müssen weniger staatliche Sozialleistungen zur Existenzsicherung eingesetzt werden. Große Probleme, die durch die Lohnarmut verursacht werden, gehören damit weitgehend der Vergangenheit an.
– Auch die gefürchtete Altersarmut wird durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns wirkungsvoll eingedämmt. Gerade Niedriglöhne waren für den schleichenden Prozess der Verarmung im Alter in Deutschland verantwortlich.
– Durch Unternehmen, die lediglich Billiglöhne zahlen, wird der Wettbewerb verzerrt. Sie verschaffen sich unfaire Vorteile auf dem Markt, welche wiederum auf Kosten der Arbeitnehmer gehen.
– Auch die Gleichstellung von Mann und Frau wird durch die Einführung eines Mindestlohns beeinflusst. Der Grund: Frauen sind besonders häufig von Lohndumping betroffen, werden somit ohne Mindestlohn in der Gesellschaft benachteiligt.
Und nicht zuletzt profitiert die gesamte Wirtschaft des Landes von der Einführung eines Mindestlohns – und zwar dadurch, dass die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt und somit die Konjunktur angekurbelt wird. Schließlich ist klar: Wer mehr Geld in der Tasche hat, der gibt auch mehr aus.