Mangel an Ärzten und Pflegekräften – so kann das Problem gelöst werden
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen gilt als eines der größten Probleme dieser Branche. In den 90er Jahren mussten die Kliniken nur eine Stellenanzeige veröffentlichen und die Bewerber standen schon in der Reihe. Die Krankenhäuser können von einer solchen Auswahl an Ärzten und Pflegepersonal heute nur noch träumen. Im Jahr 2013 hatten 58 % der Krankenhäuser Schwierigkeiten bei der Personalsuche. Im Durchschnitt dauerte es 167 Tage, bis ein Krankenhaus einen geeigneten Bewerber fand.
Im Pflegewesen herrscht auch keine bessere Situation: Mehr als 33% der medizinischen Einrichtungen brauchten drei Monate, um eine Krankenschwester oder einen Pfleger zu finden. Schon heute gilt der Mangel an Ärzten und Pflegekräften als eines der größten Probleme für stationäre Gesundheitseinrichtungen.
Umfrage des VKD zum Thema Fachkräftemangel
Eine repräsentative Umfrage des VKD (Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands) bestätigt das Problem. Über den Mangel an Ärzten und Pflegekräften in Krankenhäusern wurden rund 1.800 VKD-Mitglieder befragt. Die Umfrage ist Teil einer Studie über die Finanzsituation der deutschen Krankenhäuser. Insgesamt 93 % der Manager von Allgemeinkrankenhäusern befanden es „schwierig“ und „sehr schwierig“, Positionen im ärztlichen Bereich zu besetzen. Auch 95% der befragten Manager von Rehabilitationskliniken halten es für sehr schwierig.
Psychiatrische Krankenhäuser und Fachkrankenhäuser deuten mit 33 % ebenfalls auf größere Schwierigkeiten hin. In den Universitätskliniken ist die Situation etwas entspannter: „Nur“ 57 % der Befragten haben keine Schwierigkeiten mit Stellenbesetzungen im ärztlichen Dienst. Die Informationen zur Stellenbesetzung im Pflegedienst waren auch aufschlussreich. Die Allgemeinkrankenhäuser antworteten hier zu 14 % mit „sehr schwierig“.
Bei den Universitätskliniken lag dieser Anteil mit 21 % und bei den Fachkrankenhäusern mit 27 % deutlich höher. Auch 20 % der Befragten aus den Rehakliniken halten es für „sehr schwierig“, Pflegekräfte zu finden. Bei den Allgemeinkrankenhäusern stellte sich eine ähnliche Situation dar, weil rund 30 % der Befragten bisher keine Probleme mit dem Mangel an Ärzten und Pflegekräften hatten.
Mögliche Lösung: Studienkapazitäten anheben
Der Umfrage zufolge hat der Ärztemangel in Allgemeinkrankenhäusern eine kritische Marke erreicht, wobei gerade kleine Kliniken überproportional vom Problem betroffen sind. Das Problem trifft auch sehr stark die Rehabilitationskliniken. Die Universitätskliniken und Fachkrankenhäuser notieren dagegen eher einen Pflegekräftemangel.
Die Ursache für den Ärztemangel sieht der VKD hauptsächlich bei der Politik. Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands ist der Meinung, dass die Studienkapazitäten mindestens um 10 % angehoben werden müssten. Es müssten auch mehr Programme von dem Bund und den Ländern aufgelegt und gefördert werden, die eine sprachliche, kulturelle und fachliche Integration von ausländischen Pflegenden und Ärzten unterstützen.
Bis 2030 werden in Deutschland über 300.000 Pflegekräfte fehlen
Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers hat in der Studie: ,,112 – und niemand hilft“ abgeschätzt, dass in Deutschland 2030 mindestens 404.000 Fachkräfte fehlen werden, wenn sich an den aktuellen Rahmenbedingungen nichts ändert. Deutschland droht wegen gegenwärtigen Arbeitsbedingungen ein akuter Personalmangel im Gesundheits- und Pflegewesen. So wären in den medizinischen Berufen bereits 2020 33.000 Vollzeitstellen unbesetzt und 2030 sogar 76.000.
Bei den Pflegekräften wird sich die Personalsituation noch dramatischer entwickeln. Der Studie nach fehlten 2020 insgesamt 212.000 Vollzeitkräfte, im Jahr 2030 sollen es 328.000 sein. In Vollzeitäquivalenten gerechnet, könnten knapp 18 % aller nötigen Arbeitsstellen 2030 dann nicht besetzt werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 waren es erst knapp 8 %.
Rheinland-Pfalz und Brandenburg am stärksten betroffen
Personalengpass ist regional differenziert. Der Westen und der Osten der Republik werden von dem Personalmangel besonders betroffen. Unter dem Fachkräftemangel leiden demnach am stärksten Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Sogar 28% der nachgefragten Stellen sollten dort bis 2030 nicht entsprechend besetzt werden.
Wie die Studie zeigt, sei die demografische Entwicklung in Rheinland-Pfalz besonders ungünstig: Bis zum Jahr 2030 werde die Bevölkerung von über 65 Jahren hier um 64 % zunehmen. Der Bundesdurchschnitt werde dagegen nur um 32 % wachsen. Entsprechend steige die Nachfrage nach qualifiziertem Personal überdurchschnittlich an. Laut der Studie wird der Bedarf nach Gesundheits- und Pflegeleistungen wegen der Alterung der Bevölkerung bedeutsam steigen und das Arbeitskräfteangebot bleibt andererseits unter den gegebenen Bedingungen weit dahinter zurück.
Mangel an Fachpersonal auch in Baden-Württemberg
Eine weitere Studie der PwC (Die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) zeigt, dass der Mangel an Fachkräften im Gesundheitssystem und der Pflegewirtschaft in Baden-Württemberg sehr groß ist. In Baden-Württemberg mangelt es an Altenpflegehelfern und Altenpflegern. Danach folgen HNO-Ärzte und Augenärzte.
Die Nachfrage nach Krankenpflegern und -Helfern, Neurologen, Psychiatern, Chirurgen, Orthopäden, Radiologen und Psychotherapeuten wird auch nicht gedeckt. Für diesen Mangel gibt es viele Gründe. Einer der wichtigsten Gründe ist die wachsende Frustration innerhalb der Branche, wegen schwerer Arbeitsbedingungen. Dem Arzt werden weniger als 10 Minuten pro Patienten bezahlt, doch er muss der Bürokratie ein Drittel seiner Arbeitszeit widmen.
Die Pflegekräfte haben schwere physische und psychische Belastungen wegen der Arbeit. In Baden-Württemberg ist es besonders wichtig, Fachärzte aus Nachbarregionen wie Bayern, der Schweiz oder dem Saarland durch ein attraktives Umfeld abzuwerben, und zudem auch weitere Abwanderung vermeiden. Um die heterogene Teilung des Fachpersonals auszugleichen, sind auch Ausbildungskooperationen mit anderen Bundesländern bedeutsam.
Unattraktive Bedingungen häufigster Grund für den Berufswechsel
Das primäre Problem sei, dass das verfügbare Potenzial an Fachkräften nicht genug ausgenutzt werde. Die sogenannte Teilnahmequote ist in den Pflege- und Gesundheitsberufen eher gering. Der Grund dafür sei, dass viele Personen, die als Fachkräfte qualifiziert sind, wegen unattraktiven Arbeitsbedingungen oder privaten Verpflichtungen den Beruf gewechselt haben.
Wie die PwC das sieht, stellt die Teilnahmequote den größten Hebel dar, um den Fachpersonalmangel zu bekämpfen. Früher oder später gebe ansonsten fast jeder vierte Arzt die ärztliche Tätigkeit auf. Viele Absolventen haben auf eine Fortbildung zum Facharzt verzichtet. Stattdessen strebten sie eine Karriere in der Wirtschaft oder Verwaltung an, etwa bei Beratungsgesellschaften oder Pharmaunternehmen.
Eine zweite Abwanderungswelle beginnt nach dem Berufsanfang. Die Ärzte werden frustriert wegen des Berufsalltags oder wegen geringen Karrieremöglichkeiten. Sie geben ihren Beruf auf und wechseln zu anderen Branchen. Nach der Geburt beenden viele Ärztinnen ihre Karriere oder sie arbeiten nur noch Teilzeit. Viele Fachkräfte in der Pflege scheiden auch wegen der körperlichen Belastungen früh aus. Die Wertschätzung sei zudem gering, was sich durch die niedrige Bezahlung ausdrücke.
Gesundheits- und Pflegeberufe müssen attraktiver gestaltet werden
Durch flexible und bessere Kinderbetreuung könne gewährleistet werden, dass mehr Fachpersonal in ihrem Beruf arbeiten. Der Arztberuf in Krankenhäusern müsse dazu attraktiver gestaltet werden, genauso die Bezahlung von Pflegekräften. Die Autoren der Studie halten es nicht für realistisch, den Fachkräftemangel über Zuwanderung zu lösen. Bei den ausländischen Fachkräften sei das Interesse an Deutschland nicht ausreichend.
Die Situation ist aber keinesfalls ausweglos und es sei unter enormen Anstrengungen möglich, das Verhältnis von Fachkräftenachfrage und Fachkräfteangebot bis zum Jahr 2030 fast auszugleichen. Dazu müsste nur bedeutend mehr Fachpersonal Vollzeit arbeiten.